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Glashaus am Rebberg

Einfamilienhaus von L3P Architekten
Glashaus am Rebberg

Das Schweizer Architekturbüro L3P schuf eine kristalline Wohnskulptur. Ihre außergewöhnliche Form und Ausführung verdankt sie einem schwierigen Grundstück und einem ungewöhnlichen Umgang mit den Bauvorschriften.

Hier steht Großes auf kleinem Boden: Eine Fläche von gerade mal 5 x 9 m stand zum Bebauen zur Verfügung, zu wenig für ein klassisch gemauertes Haus mit traditionellem Treppenhaus. Doch was das Regensberger Architekturbüro L3P daraus machte, sorgt nicht nur in der Gemeinde Dielsdorf bei Zürich für Aufsehen. Wie ein Bergkristall ragt das Gebäude in die Höhe, in den zahlreichen Glasscheiben spiegelt sich die Umgebung.

Die abschüssige schmale Parzelle am Rebhang galt lange als nicht bebaubar. “Die Ausgangslage war anspruchsvoll”, erinnert sich der junge Architekt Boris Egli, einer der Partner von L3P. Das ungewöhnliche Volumen des Baukörpers, den Winkel und Knicke kennzeichnen, ist eine Folge der Bauvorschriften.
Bei maximal 83 m² oberirdischer Wohnfläche galt es, jeden Zentimeter zu nutzen. “Die einzige baurechtliche Möglichkeit, das Haus oberirdisch zu vergrößern, war das vollständige Ausnutzen der Auskragungsvorschriften,” erklärt Egli. So entstanden die erkerartigen Vorsprünge in der Fassade. Die maximal zulässige Gebäudehöhe von 7,5 m wurde ebenfalls ausgenutzt, was in Kombination mit dem am Hang vorgeschriebenen Steildach automatisch zu einem Pultdach führte. Raum und Struktur sind bei diesem Wohnhaus eins. Das Gebäude ist elementar reduziert auf den nackten Betonrohbau und wird umhüllt von einem Glasmantel. Die Fassade besteht aus 58 unterschiedlichen Fensterelementen, bei denen keines dem anderen gleicht. Es ist eine verkehrte Welt, in der die Glasfläche mehr als doppelt so groß wie die Bodenfläche ist. Dabei sind die Fenster dem Betontragwerk vorgehängt. Die Architekten haben sich dafür von einer Weinrebe inspirieren lassen. Das wird innen deutlich werden.
Man betritt das Haus über den Carport im Hanggeschoss und gelangt in ein mehr als 5 m hohes Entree. Hier, im Untergeschoss, befindet sich ein Doppelzimmer für die Kinder. Ihr Bad ist in strahlendem Zitronengelb gehalten, ein Oberlicht bringt Licht in den Raum. Nach oben führt eine Treppe mit einem handschmeichlerischen Geländer aus geöltem Stahl, die geradewegs auf ein markantes Betonregal zuläuft. Dies ist nicht nur ein gut platzierter Ort für die Bibliothek der Bewohner, sondern spielt auch eine wesentliche Rolle für die Statik des Hauses: Das Regal dient der Querversteifung des Tragwerks und verdeutlicht auf diese Weise die Architektenidee der Weinrebe: “Tragende Mittelwand, Podeste und vorgehängte Fenster folgen der Struktur von Stiel und Geäst der Weinrebe und daran hängenden Trauben.”
Die Raumspirale
Um die tragende Mittelwand entwickelt sich spiralförmig eine Abfolge von Podesten, Treppen und kompakten Wohnlandschaften – eine Art “vertikales Leben”, das aus jeder Perspektive neue Aussichten eröffnet. Auch betont die Raumspirale das Konzept des Lichtplaners Lichtblick: In den Fenstern sind im ganzen Haus vertikale LED-Lichtstreifen eingelassen, die für die Grundbeleuchtung sorgen. “In Höhlen dienten früher Fackeln als Durchgangslicht”, sagt Egli von L3P Architekten. “Im rauen Beton wirken die LED-Streifen fast wie neuzeitliche Fackeln.” Stimmungsvolle Akzente setzen Hänge- und Stehleuchten: So funkelt im Esszimmer über dem Massivholztisch und den schwarzen Panton-Freischwingern ein barock anmutender Kronleuchter aus schwarzem Muranoglas. Zwei Treppenstufen trennen das Esszimmer von einer Mehrzweckfläche, auf der eine Hängematte zum Relaxen einlädt – vom Hausbesitzer ebenso rege genutzt wie von den Kindern. Von hier führt eine Treppe zum Sitzplatz mit Blick auf den hinteren Teil des Gartens. Wenn man die beiden großen Kirschbäume durch das Glasfenster sieht, versteht man, weshalb der Sichtbeton zu fünf Prozent schwarz eingefärbt wurde. “So kommt die Umgebung besser zur Geltung, denn es entstehen weniger Spiegelungen, die die Aussicht beeinträchtigen”, sagt Egli. Zudem lässt der dunkle Hintergrund das Haus tagsüber etwas geheimnisvoll wirken.
Die angrenzende Küche besticht durch ihre Farbwahl: alle Einbauten in glänzendem Magenta. “Mir war klar, dass als Kontrast zum strengen Beton nur eine knallige Farbe in Frage kam”, erläutert der Architekt. Weiter treppenaufwärts ein kleines Wolkenkuckucksheim: Ein Erker aus 2,3 t Glas, der mal als Lesezimmer, mal Gästebett oder Kinderturmzimmer taugt. Gepolstert ist er mit einem Klassiker – dem modularen Sofasystem “Mah Jong” von Roche Bobois aus dem Jahr 1971.
Das Obergeschoss dagegen bleibt ganz den Eltern vorbehalten: Der Weg führt durch das Bad, vorbei an Dusche, WC und Ankleide gipfelt er im Elternschlafzimmer. Vor dem Bett eine schwarze, freistehende Wanne, von der aus der Blick in die Weinberge schweift. Mal extrovertiert, mal introvertiert: Maßgefertigte aluminiumbeschichtete Vorhänge schützen die Privatsphäre.
Wo viel Beton verarbeitet wird, bleiben Reste: Für das Haus am Rebberg wurden davon 20 t zu Trittsteinen geformt und umfassen das Gebäude. Ein Wasserspeier leitet das Regenwasser vom Dach in ein trapezförmiges Sammelbecken ab. Auch dies ein Mehrwert, die Kinder haben großen Spaß daran. Eine mäandernde Hainbuchenhecke trennt das schmale Grundstück von der Straße ab. Es ist ein Grundstück, dessen Beschränkungen diese außergewöhnliche Architektur erst ermöglicht haben.
Autorin: Andrea Eschbach
Fotos: Vito Stallone
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