Details for Architecture

Autorin: Susanne Tamborini

Welche Oberfläche für den Fußboden, welche Farbe an der Wand und wie sollen die Fenster, Türen und Türgriffe aussehen? Interior ist mehr als Möbel! Das sagten sich auch die Macher des Salone del Mobile, die erstmals zeitgleich zur Möbelmesse – jedoch außerhalb des Messegeländes – ein kleines aber feines neues Messeformat an der Porta Nuova auf die Beine stellten: ’space&interiors‘. Der Messe-Newcomer aus den Bereichen Decke, Wand, Boden ist eine Kooperation des Salone mit den Profis der MADE expo, der italienischen Baufachmesse für Architekten, die Mailand alle zwei Jahre ausrichtet. 56 Hersteller präsentierten sich erstmals mit “Architektur-Elementen” auf der ’space&interiors‘, mehr als 8000 Besucher besuchten an fünf Tagen die Show. Das zeigt, die Idee mit den “Details for Architecture” kam bei den richtigen an. Warum den Architekten und Innenarchitekten keinen professionellen Mehrwert bieten, wenn sie im April sowieso schon in der Stadt sind?

“’space&interiors‘ war das einzige Event in der Stadt, was in direkter Verbindung zum Salone stand, und es war die erste Kooperation zwischen Salone und MADE expo mit dem Ziel, die Mailänder Designwoche um eine spannende Destination zu bereichern”, erläuterte Roberto Snaidero, Präsident des Salone del Mobile. Dazu trug sowohl der Ort der Location bei – eine 200 Meter lange unterirdische Verbindung zwischen der Piazza Lina Bo Bardi und der Piazza Alvar Aalto im neuen Mailänder Stadtteil Porta Nuova – als auch maßgeblich die Ausstellungsgestaltung von Migliore+Servetto, die mit ihrem Konzept aus einem Wettbewerb hervorgingen.

Das Architekturbüro tauchte das Setting vom Charme einer ungenutzten Parkhausfläche gnädig in eine schwarze Blackbox und legte die schlauchartige Ausstellungsfläche als doppelseitige Allee an, links und rechts gesäumt von einer Enfilade mit den Ausstellerkojen (grauer Fond, einheitliche Grafik). In der Mitte platzierten sie eine Abfolge von Ausstellungstürmen mit Glasvitrinen rundum. So lenkten sie den Blick der Besucher mit einfachen Mitteln auf bauliche oder haptische Details: auf ein Stück Tapete, einen Teppich, auf eine Jalousie, auf Türbänder, kurzum auf die funktionalen und sinnlichen Qualitäten, die es beim Bauen zu erkunden gilt.

Auf allen Ebenen arbeiteten Migliore+Servetto die identitätsstiftenden Merkmale des Wohnens überzeugend heraus. Faszinierend auch die maßstabsgetreuen Wohnungsmodelle des Mailänder Politechnikums. Was die ‚Stanze‘ auf der 21. Triennale im Maßstab 1:1 versuchte, hier war es en miniature: natur-inspiriert (Morris), abstrakt (Sottsass) dekorativ (Maallet-Stevens) oder kunststoffaffin (Rading), um nur einige Beispiele zu nennen. “Die Modelle standen vorher vergessen im Archiv herum”, sagte Ico Migliore, “Wir haben sie an die Öffentlichkeit gebracht. Daran können viele Menschen lernen, wie vielgestaltig Wohnen sein kann, und wie stark jedes Architekturelement das Raumgefüge beeinflusst”. Ein kostbarer Schatz: Die Modelle entstanden über lange Zeit im Rahmen einer zehnjährigen exemplarischen Studie. über das Wohnen in unterschiedlichen Zeiten und Kulturen.

Im Vergleich zu vielen anderen Events während der Mailänder Designwoche gab es hier einen hohen fachlichen Input. Seitens der Produktqualität der ausgewählten Hersteller, seitens der sinnlichen und haptischen Qualität des Ausstellungsparcours. Ein wenig erinnerte der Ansatz an den von Rem Koolhaas auf der Architekturbiennale in Venedig 2014. Architektur muss verständlich sein. Beziehungsweise auch die Design- und Architekturprofis erliegen der Faszination einer gelungenen Präsentation. An der Porta Nuova herrschte interessierte Erkundungs- und Erkenntnisfreude. Eine Qualität, die in der Hektik des Mailänder Messe-Marathons und der Showroom-Showups unterzugehen droht. Bitte wiederholen!