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Transparentes Holz

Ein neues Material, das es schon lange gibt
Transparentes Holz

Transparentes Holz
Markus Rettenbacher arbeitet daran, Holz zu hinterleuchten, um Fluchtwege aufzuzeigen. Foto: Markus Rettenbacher
Anfang 2016 ließ eine Meldung aufhorchen: Schwedische Forscher erfinden transparentes Holz. md-Autor Oliver Herwig begab sich auf die Jagd nach einem Stoff, den es eigentlich schon lange gibt.

Autor Oliver Herwig

Lars Berglund, Head of the Biocomposites Division an der Königlich Technischen Hochschule Stockholm, berichtet von einem Stoff,der preiswert ist und doppelt so stark wie Plexiglas. Ein Werbevideo verspricht sogar schon Solarzellen aus transparentem Holz, semitransparente Fassaden und, nun ja, Fenster.
Transparentes Holz passt natürlich perfekt in die Zeit des Minimalismus und der Reduktion. In eine Zeit also, die sich immer mehr der gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen ihres Tuns bewusst wird und (schädliche) Dinge daher lieber mal weg designt. Anderseits klingt transparentes Holz nach fliegenden Ziegeln. Oder durchsichtigem Beton.
Doch den gibt es ja wirklich schon, auch wenn der mit Glasfasern versetzte Baustoff eher ein Nischendasein fristet. Was also hat es mit dem neuen Wunderstoff auf sich, der Lignin, auch Holzstoff genannt und einer der Hauptinhaltsstoffe des Materials durch ein Polymer ersetzt? Ist es dann überhaupt noch Holz – oder vielmehr eines jener Komposite, die seit anderthalb Jahrzehnten als Supermaterialien bekannt sind – Stoffe, die erstaunliche Eigenschaften verbinden und neue Funktionen zulassen? Eine erste Suche zeigt, dass die schwedische Erfindung wohl doch nicht so neu ist wie gedacht.
Bereits im Jahr zuvor berichtet das Wissenschaftsnetzwerk Science Daily von einer Innovation der University of Wisconsin-Madison, Computerchips aus Holz zu erstellen und zeigt einen weitgehend transparenten Transistor (CNF, cellulose nanofibril) auf einem Blatt. Ein Aufsatz in der Zeitschrift „Nature Communications“ vom 26. Mai 2015 beschreibt das „nachhaltige Nanomaterial“.
Berechtigter Materialhype?
Materialexperte Sascha Peters von Haute Innovation, der Berliner „Zukunftsagentur für Material und Technologie“, klingt wenig überrascht. „In Stockholm wird gerade daran geforscht, das ist sehr interessant“, sagt er. „Ansonsten kennen wir Luminoso, das gibt es aber schon länger. Schönes Material.“ Nun aber geht dieser Stoff den Weg des Betons: lichtleitende Fasern machen es durchsichtig, aufgedruckte Grafik wiederum erzeugt Bilder, Logos und andere Effekte. Die Oberfläche kann mit Lack und Öl behandelt werden, es kann zudem gefräst, geschnitten und geschliffen werden. Dafür erhielt das Produkt bereits 2009 den Red Dot Design Award.
Was ist also dran an dem Materialhype, und was können wir uns wirklich erwarten von einem Stoff, der natürlich scheint, aber eigentlich ein Kunststoff geworden ist, zumindest nach den Vorgaben der Schweden, die mit dem stark lichtabsorbierenden Lignin auch den eigentlichen Stützbaustoff der verholzten Pflanzenteile ersetzen? Transparentes Holz, bekannt auch als  Wood (TW) gleicht mit einer Lichtdurchlässigkeit von 85 Prozent und einer Trübung von 71 Prozent Milchglas.
Und vor allem: Wer hat’s erfunden? Professor Rupert Wimmer lehrt als Experte für natürliche Baustoffe an der BOKU, der Universität für Bodenkultur Wien. Er stellt klar: „Ich bin der erste, mein Antrag zum Transparent Wood war 2006, die Idee hatte ich kurz nach dem Doktorat 1991.“
Wimmer hat in seinem Forschungsprojekt Furniere mit einigen Millimeter untersucht. Er schätzt, dass auch ein Zentimeter möglich wäre.
Die Zeit wäre reif
Richtungsweisend für ihn war wiederum Siegfried Fink, Professor für Forstbotanik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, der wiederum eine Methode suchte, Holz besser zu untersuchen. „Eigentlich sollte man ihm die Idee zuschreiben.“ Das Verfahren stammt also eigentlich aus der Mikroskopie. Erst füllt Harz alle Hohlräume dünner Holzschnitte auf. Besitzen Harz und Holz den gleichen Brechungsindex, verschwinden alle Kontraste. Dann lassen sich Zellteile gezielt einfärben und besser untersuchen. Vor etwas über zehn Jahren aber war die Zeit offenbar noch nicht reif für transparente Solarzellen und andere Materialinnovationen. Wimmer erinnert sich an zahlreiche abgelehnte Anträge, seine Ideen an der Uni schützen zu lassen. Selbst Solarzellen waren Teil der beantragten Forschung – abgelehnt. Kommerziell gibt es deshalb nichts; eine zunächst interessierte Firma hat das Interesse verloren.
Nun gehen also die Schweden voran. Kollege Fink, sieht das wesentlich entspannter. „Die Idee ist frei verfügbar. Und lässt sich, sobald publiziert, auch nicht mehr patentieren. Damals kam mir nicht in den Sinn, daraus einen Werkstoff zu machen.“ Und erst recht kein Geschäft. Dem Forstbotaniker ging es einzig um die Forschung. Was also bleibt von dem neuen alten Material? Welche ganz praktische Designanwendung gibt es für transparentes Holz?
Womöglich nur das österreichische Holztechnikum Kuchl. Dort arbeitet Markus Rettenbacher daran, Möbel transparent zu machen und zu hinterleuchten, etwa, um im Boden Fluchtwege aufzuzeigen. Auf Nachfrage gibt sich der 58-Jährige Biotechnologe zugeknöpft. Ja, es wären Anwendungen im Automobil- und Yachtbereich denkbar oder spezielle Möbel, die in den Raum leuchten und verweist auf den Parketthersteller Tilo, der ein solches Verfahren nutze.
Dort allerdings klingt Marketingleiter Norbert Stieglbauer überrascht. Er müsse mal nachfragen, was das transparente Holz mache. Immerhin bietet ein Videoclip des ORF von 2014 einige Einsichten in das Verfahren. Zwei Studenten des Holztechnikums, Florian Palli und Alexander Grünwald, beschreiben, wie sie Harz auf 140 Grad erhitzen, trockenes Holz hinzufügen und unter hohem Druck zwei Stunden kochen, wodurch das Harz in das Holz dringt. Alexander Grünwald: „Holz ist im Grunde durchsichtig, aber nur bei Schichtdicken von 0,3 bis 0,5 Millimetern. Wir haben die Möglichkeit, auch dickere Schichten durch Baumharzimpregnierung durchsichtig zu machen.“
Immerhin ein Lichtblick unter vielen Holzwegen.
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