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Yung Ho Chang – Konservativer Raum

Letter from Shanghai
Yung Ho Chang – Konservativer Raum

Yung Ho Chang arbeitet über Stadtentwicklung, Materialien und Traditionen und lehrt in den USA und China. Er gründete mit Lijia Lu in Peking das erste private Architekturbüro Chinas.

Yang: Wie beschreiben Sie Ihr Architekturkonzept und die experimentelle Arbeit Ihrer frühen Schaffensperiode?

Yung Ho Chang: Ich habe mich schon sehr früh mit den Begriffen Wahrnehmung und Raum auseinander gesetzt. Auch Literatur und Filme haben eine große Faszination auf mich ausgeübt. Zum Beispiel habe ich Fensterbeschläge entwickelt, zu denen mich Alfred Hitchcocks “Das Fenster zum Hof” mit dem Thema Voyeurismus inspiriert hat. Marcel Duchamp hat mich ebenfalls seit Anbeginn beeinflusst. Wer sich mit meinem Werdegang beschäftigt, stößt hier und da auf seine Spuren.

Yang: China hat sich in den vergangenen 20 bis 30 Jahren stark verändert. Wenn Sie auf diese Zeit zurückblicken – welchen Ihrer Maßstäbe sind Sie treu geblieben, welche haben sich verändert?

Yung Ho Chang: Die eingangs erwähnten Inspirationen sind immer noch wirksam; allerdings schlagen sich literarische und cineastische Einflüsse nur indirekt in Architektur- und Städtebauprojekten nieder. Zu einem Schwerpunkt meiner Arbeit ist in den vergangenen 20 Jahren das Thema Material geworden. So verwende ich bei einem meiner aktuellen Bauvorhaben Glasfasern. Ich setze mich stark mit der chinesischen Architektur der 1960er- und 70er-Jahre auseinander, dem sozialistischen Realismus – ein wichtiges Element unseres gestalterischen Erbes.

Yang: Gibt es in Ihrem Gestaltungsvokabular Elemente, die stets gleich bleiben?

Yung Ho Chang: Ich habe keine festgelegte Formensprache. Bei einigen Projekten wie dem Xishu Bookstore und BNC Räder habe ich Räder verwendet, genauer gesagt Fahrradräder, weil ich glaube, dass man durch Mobilität in der Architektur eine gewisse Dynamik erzielt. Im Übrigen ist das Fahrrad seit den 1960ern und 70ern, also seit unserer unmittelbaren Vergangenheit, ein wesentlicher Bestandteil der chinesischen Kultur. Beim neuen Haupteingang des Ullens Center for Contemporary Art (UCCA) in Beijing haben wir auch mit Rädern gearbeitet und so die tägliche Öffnung des Museums zu einem interessanten Ritual gestaltet.

Yang: Ein französischer Journalist hat mich einmal gefragt: “Was ist das Typische am chinesischen Design? In Japan ist es die minimalistische Schlichtheit”. Eine Woche lang habe ich nachgedacht. Dann habe ich geantwortet: “Die Essstäbchen”. Während Messer und Gabel als typisch für die westliche Welt gelten, sind die Essstäbchen ein echt chinesisches Produkt. Von welchem Standpunkt aus man sie auch betrachtet – philosophisch, utilitaristisch, formal – sie repräsentieren das Land perfekt und sind darüber hinaus ein Paradebeispiel für minimalistisches Design.

Die chinesische Reiterjacke hingegen ist längst aus dem normalen Leben der Bevölkerung verschwunden, weil sie mit unserem modernen Lebensstil nicht mehr kompatibel ist. Ich meine damit, dass sich gutes Design sich auf natürliche Weise aus dem industriellen und kulturellen Erbe eines Landes heraus entwickeln sollte. Zum Beispiel konnten MacBook und iPhone in den USA erst vor dem Hintergrund der dortigen starken IT-Industrie entstehen. Oder gehen die in einem modernen industriellen Umfeld gefertigten italienischen Luxusgüter auf traditionelles Handwerk zurück. Sie werden in aller Welt verkauft. Und in Deutschland werden die besten Autos hergestellt. Das ist meine Meinung als Produktdesigner. Wie denken Sie als Architekt darüber?

Yung Ho Chang: China bietet eine große kulturelle Vielfalt. Als hier arbeitende Architekten oder Designer müssen wir lernen, diese kulturellen Einflüsse zu unserem Vorteil zu nutzen. Was aber nicht bedeutet, dass dabei eine typisch chinesische Architektur oder typisch chinesisches Design entsteht. Ich verstehe Ihre Ausführungen so, dass es bei Designtraditionen nicht um tote historische Symbole geht, sondern um Dinge, die in der Gegenwart noch sehr lebendig sein können. Diese Meinung teile ich.

Yang: Auf der letzten Beijing Design Week hatten Sie eine große Einzelausstellung. Wie sehen Ihre Pläne, Projekte und Hoffnungen für die Zukunft aus?

Yung Ho Chang: Die Ausstellung ‚Material-ism‘ im UCCA im Herbst 2012 war eine Art Retrospektive, aber der Sinn einer Rückschau ist es immer auch, nach vorne zu schauen.
Als nächstes werden wir hoffentlich einige Bauwerke verwirklichen, beispielsweise das bereits erwähnte Fiber Glass House. Dazu kommen einige noch nicht realisierte Entwürfe, die in der Ausstellung gezeigt wurden, ein Theaterstück mit dem Titel ‚The Third Police Station‘, und vielleicht einen Comic über einen Kinderdetektiv. “China bietet eine große kulturelle Vielfalt”.

“Ich setze mich stark mit dem chinesischen sozialistischen Realismus der 1960er-, 70er- Jahre auseinander”

md-Korrespondent Jamy Yang berichtet aus China

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